Zeitschrift Rolling Stone -- Januar 2010

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Mit CD "Rare Trax Vol. 65"

Ein musikalischer Jahrzehnt-Rückblick ist das Leichte, das so schwer zu machen ist. Natürlich gibt es die großen Konsens-Hits, und natürlich prägen nicht zuletzt jene Songs eine Dekade, die allgegenwärtig waren und von vielen Menschen mit bestimmten Ereignissen verbunden werden. Wir haben uns trotzdem gegen das Abbilden von Trends entschieden - die zum Teil schon längst wieder vorüber sind -, und auch die allseits beliebten Stars wurden vernachlässigt. Man kennt sie ja ohnehin. Stattdessen gilt es einige Perlen der vergangenen Jahre wiederzuentdecken, die in diesem Magazin eine wichtige Rolle spielten, auf die man aber nicht unbedingt sofort kommt. Hier nun also ein paar Freunde und Freundinnen, die uns über die Jahre ans Herz gewachsen sind, mit hoffentlich nicht zu bekannten Songs.

Es war viel vom neuen Folk die Rede in der letzten Dekade. Mal klang das so sonnig wie die Surfer-Balladen von Jack Johnson, mal so exzentrisch wie Devendra Banharts psychedelische Extravaganzen. Einige der schönsten Preziosen des New Weird America stammen allerdings von Joanna Newsom. "Clam, Crab, Cockle, Cowrie" ist bereits auf dem Debütalbum "The Milk Eyed Mender" erschienen. Doch die auf der 2007er EP "Joanna Newsom And The Ys Street Band" veröffentlichte Version ist einfach nicht zu übertreffen: Zarter, ätherischer und schöner kann selbst diese außergewöhnliche Sängerin und Harfenistin nicht klingen.

Patrick Wolf ist ein Bruder im Geiste. Ein Grenzgänger zwischen Weird Folk und Electronica, ein eleganter Paradiesvogel und sexueller Freigeist. "The Libertine" vom 2005 erschienenen Album "Wind In The Wires" besitzt eine fast schon grundsätzliche Wucht und Leidenschaft: "I'm going to run the risk of being free", singt der Brite da mit großer romantischer Geste und nennt all die Gefahren und Erniedrigungen, die diesen Weg begleiten. Die Verbindung von sehnsüchtiger Violine und dem Klackern der Computersounds erzeugt einen magischen Sog.

Die Sehnsüchte, von denen The Hold Steady-Sänger Craig Finn in "Hot Soft Light" erzählt, sind wesentlich handfester und dennoch von großer Poesie. Der Song erschien auf "Boys And Girls In America"- einem der Alben des Jahres 2006. Songwriter Finn bezieht sich auf Jack Kerouac und beschreibt die Jugend seines Landes als lost generation. "Songs handeln eigentlich fast immer von Hochs und Tiefs. Und Drogen und Alkohol sind für viele Menschen ein Mittel, um solche Hochs und Tiefs zu erreichen. Mal wollen sie noch höher, mal rutschen sie noch tiefer. Das hat mich interessiert – die Beziehungen der Menschen untereinander und ihre Beziehung zu Drogen. Welche Rolle das in ihren Herzen spielt, wenn sie ausgehen und miteinander rummachen", erzählte Finn damals.

Richtig schwarz wird die Welt in "Blue Pail Fever" von Woven Hand: "Frozen prayer upon my lips/ Inside the blood runs hot", singt David Eugene Edwards da, und fleht immer wieder: "Speak to me!" Der an die dunklen Stimmungsbilder des späten Johnny Cash erinnernde Song stammt vom 2002 veröffentlichten, namenlosen Debütalbum. Woven Hand waren damals noch das Nebenprojekt des Sängers von 16 Horsepower, die sich 2005 dann allerdings trennten. Doch immer ist es die leicht morbide Cowboy-Stimme von Edwards, die einem eine wohlige Gänsehaut beschert.

And now to something completely different: "Chrome's On It" von Telepathe ist ein wunderbares Beispiel für den aufregenden Sound des jungen Brooklyn. Das Duo besteht aus den beiden jungen Frauen Busy Gangnes and Melissa Livaudis, ihr Debütalbum "Dance Mother" kam erst in diesem Jahr heraus. Die Kritiker waren voll des Lobes. Produziert hat es David Sitek - als Gitarrist von TV On The Radio und Kollaborateur von Künstlern wie den Yeah Yeah Yeahs und Scarlett Johansson ebenfalls einer der wichtigen Player des zurückliegenden Jahrzehnts. Auch Telepathe wissen, wie man Songs schreibt, die feminin zwischen Pop und Experiment changieren. Stimmen und Sounds bilden das Herz dieser vorwärts treibenden Musik.

Eines der größeren Pop-Themen der 00er Jahre waren die nicht enden wollenden Achtziger. Wir verzichten gerne auf eine Hörprobe und präsentieren stattdessen "Andrew Ridgley" (sic!) von Black Box Recorder, das den Geist des Jahrzehnts deutlich besser einfängt. Der Song befindet sich auf dem 2003er Album "Passionoia", leider das letzte des Trios Sarah Nixey, Luke Haines und John Moore. "Andrew Ridgley" klingt wie eine Mischung aus Madonna und Saint Etienne und pumpt dabei so mitreißend wie ein Hit der Pet Shop Boys. Der bitterböse Text von Luke Haines verbindet Reflexionen über den damaligen Status der beiden Wham!-Musiker mit dem Gefühlsleben reicher Teenager und Erinnerungen an den Börsencrash. Wunderbar auch der Refrain: "I was brought up to the sound of the synthesizer/ I learned to dance to the beat of electronic drums." Mehr Achtziger braucht kein Mensch.

Keinesfalls fehlen durfte bei dieser Zusammenstellung Deutschlands beste und klügste Rockband Tocotronic. "Neues vom Trickser" ist ein Schlüsselsong des Ausnahme-Albums "Tocotronic" - im Volksmund auch gern "Das Weiße Album" genannt. Mit der Zeile "1:1 ist jetzt vorbei" begann eine neue Werkphase, schon bald darauf sollte das Trio zum Quartett anwachsen. Was das Weiße Album so besonders macht, ist eine völlig neue, von Tobias Levin produzierte Sound-Ästhetik. Nie vorher und nie wieder danach sollten Tocotronic so transparent, schwerelos und Popaffin klingen.

Der Brasilianer Seu Jorge ist nicht nur Sänger und Musiker, sondern auch Schauspieler. Man sah ihn in "City Of God", in Wes Andersons "The Life Aquatic With Steve Zizou" sang er als Matrose portugiesische Coverversionen von David-Bowie-Songs. "Tive Razazo" stammt vom 2004 erschienenen zweiten Album "Cru" und ist hier im "Voltair Mix" zu hören, der einen Hauch Roxy Music addiert. Samba und Stevie Wonder seien seine wichtigsten Einflüsse, sagt der 39-jährige Jorge, doch auch Milton Nascimento, Ben Jorge und Gilberto Jil dürften Eindrücke hinterlassen haben. Der Erfolg des Brasilianers ist nur ein Beispiel für die zunehmende Bedeutung dessen, was man früher einmal leicht abschätzig "Weltmusik" nannte.

Eine der wichtigsten Bands von 2009 waren sicherlich die in Brooklyn beheimateten Grizzly Bear. Bereits auf den "New Noises" präsentierten wir einen Track des aktuellen Albums "Veckatimest". Nun hören wir ein Stück von der 2007 erschienenen "Friends"-EP: eine Coverversion des berüchtigten Klassikers "He Hit Me (And It Felt Like A Kiss)". Gerry Goffin und Carole King hatten den Song 1962 für die Girlgroup The Chrystals geschrieben. Angeblich als Protest gegen Gewalt in Beziehungen, aus der Sicht einer misshandelten Frau. Das Arrangement von Phil Spector gab dem Song allerdings eine etwas zweifelhafte Betonung. In der Version von Grizzly Bear klingt "He Hit Me" immer noch bombastisch, aber auch trauernd und mitfühlend. So wird der Song seiner ur-sprünglichen Bedeutung endlich gerecht.

Zum Abschluss kommen wir noch einmal zu den schillerndsten und wunderbarsten Sonderlingen des Jahrzehnts: CocoRosie und Antony Hegarty, die hier gemeinsam "Beautiful Boyz" singen. Das Stück stammt vom Album "Noah's Ark". Auf einer früher erschienenen EP musste die Hommage an den französischen Autor Jean Genet noch ohne Antonys wie immer eindrucksvollen Gesang auskommen, hier erstrahlt der Song nun in voller Blüte. Sicher, die exzentrischen Gespreiztheiten des Weird Folk waren nicht jedermanns Sache, dennoch sorgte diese erklärte Minderheiten-Musik für eine größere Offenheit im Pop. Denn das wahre Problem waren während der letzten Dekade nie ein paar nervende Spinner, sondern eine Flut von Konsens-Künstlern, -Bands und -Platten, die in jenen Jahren verstärkt über uns hereinbrach.


Themen im Heft:

Tocotronic: In weiter Ferne, so nah
Mit ihrem jüngsten Album "Schall & Wahn" schließen Tocotronic die "Berlin-Trilogie" ab. Außerdem wird die Band 18. Ein Gespräch darüber, wie man im Leben und in der Kunst weitermacht.

Madonna: Der letzte Pop-Star
Im ausführlichen ROLLING STONE-Interview blickt die Queen of Pop zurück auf Kindheit, Jugend und ihre drei Dekaden umspannende Karriere.


SPECIAL

Der Dekaden-Rückblick: Die Künstler, die heimlichen Hits, die Essays
Auf 20 Seiten erinnern sich die Redakteure und die Gastautoren Gert Scobel, Robert Forster, Kathrin Bauerfeind, Jörg Thadeusz und Julian Casablancas an die 00er Jahre. Plus: Prägende Künstler, Top-Ten- Listen mit den Lieblingsalben der Redaktion, eine "Rare Trax" mit heimlichen Hits der Dekade.

James Ellroy: L.A. Noir
Mit "Blut will fließen" erscheint der letzte Teil seiner "Underworld U.S.A."-Trilogie. James Ellroy, der als klassischer Crime-Writer in Los Angeles begann, hat zunehmend die "geheime Geschichte des 20. Jahrhunderts" als Sujet seiner rabenschwarzen Romane entdeckt. Ein moralisierender Nihilist mit Hang zum verbalen Exzess aber ist er geblieben.


ALTE MEISTER

Curtis Mayfield: Eine persönliche Erinnerung an den großen Soul-Mann und Humanisten
Am zweiten Weihnachtstag 1999 starb der Mann, der die Geschichte des Soul maßgeblich mitschrieb. Anlässlich seines zehnten Todestages erinnert sich ROLLING STONE-Mitarbeiter Klaus Walter an einen Besuch in Chattahoochee/Georgia, wo Mayfield - nach einem tragischen Bühnenunfall querschnittsgelähmt - seine letzten Jahre verbrachte. Sein Körper war kalt und leblos, doch seine Seele war warm und sein Verstand scharf wie eh und je.


REVIEWS

Tonträger: Tocotronic, Tindersticks, Them Crooked Vultures u.a.

Replays: Neil Young, The Rolling Stones, AC/DC, King Crimson u.a.

Performance: Paul McCartney, Van Dyke Parks, Miss Li, The Specials

Leinwand: "Das Kabinett des Dr. Parnassus", "A Serious Man", DVDs u.a.

Kulturgut: Adam Haslett, Print-Pop, Musikbücher, Audiobooks

HiTech: Toys Hardware, Games


ROCK & ROLL

Jahres-Poll 2009: Die 25 besten Alben sowie die Listen der Kritiker und Leser

James Cameron: "My Typewriter"

Q&A: Adam Green

Texte über: BREAKING Midlake, Expatriate, Adam Arcuragi, Final Fantasy,Get Well Soon, Black Keys, Vampire Weekend, Wanda Jackson, Weezer, Tegan & Sara, Joel & Ethan Coen, Spike Jonze
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