Johann Sebastian Bach -- The Cello Suites

Justin Pearson - Cello
Pedro Silva - 5-seitiges Cello
Katherine Rockhill - Klavier

Aufnahmen in der wunderschönen Akustik der Temple Church, London, und der St Botolphs-Kirche in Chevening, Kent, UK, nur mit zwei Röhren-Mikrofonen.

Was für ein Juwel! Es fällt einem kein anderes Wort ein. Das britische Label Chasing The Dragon, das bislang in erster Linie mit Direct-to-Disc-Recordings beeindruckt hat, legt hier ein echtes Opus Magnum vor. Bachs sechs Suiten für Solo-Cello in einer hochwertigen audiophilen 5-LP-Box-Edition.
Nun werden Sie sich vielleicht fragen: Aufnahmen dieser Suiten gibt es zu hunderten - warum sollte ich denn ausgerechnet diese nun besitzen müssen? Einmal davon abgesehen, dass wirklich audiophile Aufnahmen der Suiten, die diesen Titel auch verdienen, dann doch erstaunlich wenige auf dem Markt sind? Man ist zunächst versucht zu antworten: Weil bei dieser hier einfach alles stimmt. Aber das trifft den Kern der Sache nicht, denn was diese Box so besonders macht, ist nicht primär ihre technische Perfektion, sondern die Leidenschaft und Liebe zum Detail, die in jedem Aspekt spürbar und hörbar sind.
Labelchef Mike Valentine suchte zunächst mit der Londoner Temple Church einen wundervollen Ort für die Aufnahmen aus. Dann kam Corona, und dem Aufnahme-Team wurde der Zugang zur Kirche verweigert. Glücklicherweise fand sich mit der St. Botolphs Church in Chevening ein mindestens genau so herrlich klingender Raum, der wegen der fehlenden strengen Restriktionen außerhalb Londons leichter zugänglich war. Dank der exzellenten Aufnahmequalität kann man die feinen Unterschiede in der Akustik der beiden Kirchen tatsächlich heraushören.
Aufgenommen wurde mit zwei fünfzig Jahre alten AKG Flea C 12 Mikrofonen, auf deren Positionierung mindestens genau so viel Aufwand verwendet wurde wie auf die eigentliche Aufnahme. Die Aufzeichnung lief rein analog direkt auf eine Bandmaschine, auch das Mastering geschah rein analog, von John Webber in den legendären Londoner Air Studios. Und natürlich hört man das!
Und warum braucht eine Aufnahme von Solo-Cello-Suiten nun drei Musiker? Nun, der Löwenanteil dieses Mammutprojekts ruht auf den Schultern von Justin Pearson, der nicht nur erster Cellist des National Symphony Orchestra sondern auch künstlerischer Leiter des Locrian Ensemble ist - beide sind zuletzt durch Einspielungen bei Chasing The Dragon in den Fokus der Audiophilen-Gemeinde gerückt. Pearsons herrlich warm klingendes Cello stammt aus dem Jahr 1706, ist also in etwa genau so alt wie die Suiten selbst. Doch heutige Musikwissenschaftler gehen davon aus, dass wenigstens die sechste Suite von Bach für ein damals nicht unübliches fünfsaitiges Cello geschrieben wurde. Spieler, die über solche Instrumente verfügen, gibt es nicht viele. Doch für diese Einspielung wurde extra für die sechste Suite der Cellist Pedro Silva mit seinem Fünfsaiter engagiert. Ein ungewöhnlicher Schachzug, der sich aber bezahlt macht. Nicht nur, was die Werktreue angeht, sondern auch wegen des Reizes, den es hat, diese beiden hochklassigen Interpreten zu vergleichen. Beide eint ein herrlich zupackender und leidenschaftlicher, aber auch mal verträumt tänzerischer Ton, und es ist eine der besonderen Qualitäten der Aufnahme, dass immer wieder dem emotionalen und musikalisch zwingenden Vortrag der Vorzug gegenüber trockener spieltechnischer Vollperfektion gegeben wurde.
Die Dritte im Bunde ist die Pianistin Katherine Rockhill. Nur wenige Insider wissen, dass 1986 eine verschollen geglaubte Bearbeitung der 3. Suite für Cello und Klavierbegleitung von Robert Schumann wiederentdeckt wurde. Diese Box ist aktuell die einzige Kompletteinspielung der Suiten, welche die dritte Suite nicht nur in der Originalfassung sondern zusätzlich auch in der Schumann-Bearbeitung bietet. Und das allein ist es schon wert, diese Box zu kaufen. Ein herrlicher Genuss, diesen großartigen Musikern zuzuhören, und die beiden so unterschiedlichen und je auf ihre Art so genialen Fassungen dieses Werks zu vergleichen!
Und auch abseits von musikalischer und klanglicher Qualität lässt diese Edition nichts zu wünschen übrig: Gepresst auf 5 LPs mit 180 g schwerem Vinyl, in einer schweren und stabilen Kartonbox, in eleganten roten Kartonhüllen und gefütterten Innenhüllen. Dazu gibt es ein 32-seitiges Booklet mit ausführlichen Informationen zur Aufnahme und Produktion und zahlreichen wunderschönen Bildern von den Aufnahmesessions. Und wer mehr über die Musik wissen möchte, der freut sich sicher noch ein veritables Stück Sekundärliteratur, das sich auch in der Box findet: „The Cello Suites“, ein Sachbuch, spannend wie ein Krimi, des kanadischen Musikjournalisten Eric Siblin, als Taschenbuch. Kleiner Wermutstropfen für alle weniger polyglotten Klassikfans: Booklet und Taschenbuch sind in englischer Original-Fassung beigelegt. Aber für diese Box lohnt sich auch ein Sprachkurs! Und wem das zu viel ist, der kann auch einfach Bachs herrliche Musik zu sich sprechen lassen. Facettenreich, funkelnd, wertvoll an sich, aber auch in einer gebührenden Fassung - ein echtes Juwel eben!

Gepresst bei Optimal in Deutschland.
Die 5-LP-Box kommt mit einem Taschenbuch “The Cello Suites by Eric Siblin" und einem 32seitigem Booklet mit Gesprächen mit von Künstlern, Toningeneuren und Technikern rund um die Aufnahmen.