Die Ärzte -- Dunkel (Im Schuber mit Girlande)

Eine extrem aufwändige Box mit vielen spannenden Extras legen Die Ärzte derzeit mit dem opulenten Werk „DUNKEL“ vor. Es handelt sich dabei um einem Schuber in dem neben zwei halbtransparenten lila-pinken Virgin-Vinyl-LPs mit insgesamt 360 Gramm noch eine knallbunte Girlande in extra Verpackung beigelegt ist. Die beiden LPs sind in einem wertig gestalteten 64-seitigen Hard Cover Book eingelegt. Das Buch enthält richtig klasse Fotos und alle Lyrics. Das Buch ist in Vintage-Leinen-Optik editiert und enthält am Einband einen hochglänzenden pinken Titel-Print. Dazu gibt es noch einen Download-Code. Das sind schon mehrere Pfund optische und haptische Ästhetik.
Doch nun zur Musik. Insgesamt 19 Songs sind auf der Multi-Art-Edel-Edition enthalten. Der Opener ist „KFM“. Ein punkiges 1-Minute-27-Sekunden-Statement führt energiegeladen in das Werk ein. Mit zwei Maschinengewehr-Snare-Drum-Salven startet der Titelsong. Am Abzug sitzt hier Bela B. „Dunkel“ ist ein richtig starker Rocksong, der mit einem maximalen Groove nach vorne treibt. Die Kern-Mannschaft Farin Urlaub (Gesang, Gitarre, Bass), Bela B (Gesang, Schlagzeug, Gitarre) und Rodrigo Gonzlez (Gesang, Bass, Gitarre, Piano) haben definitiv hier einen richtig heavy Hammer geschmiedet. Bei dem Anti-Nazi Song „Doof“ und dem easy going jazzy Lied „Tristesse“ wird das Power-Triumphirat nochmal erweitert um den druckvollen Bläsersatz aus Uli Kempendorff am Tenor Saxophon, Jerome Bugnon an der Posaune und Johannes Böhmer an der Trompete. Dass das Ganze insgesamt so erfrischend gut klingt liegt offensichtlich, respektive offenklanglich an dem Mix von Oliver Zülch und Philipp Hoppen und dem Mastering von Robin Schmidt (4-96 kHz-Mastering). Diese Limited-Edition sollte man sich rechtzeitig sichern. Es ist in jeder Hinsicht ein Volltreffer. wb

Nachdem „Die Ärzte“ acht Jahre keine Platte mehr herausbrachten, gings schnell: 2020 entstand „HELL“ und knapp ein Jahr später ihr 14. Studioalbum „DUNKEL“.
Man merkt schnell, dass der Name „DUNKEL“ sich nicht nur auf das schwarze Albumcover bezieht, sondern auch Programm ist. Es geht thematisch finster und musikalisch relativ hart zu.
Der typische Ärzte-Humor tritt etwas in den Hintergrund. Eröffnet wird das Album mit dem kurzen und deftigen Punkrock-Knaller „KFM“. Doch dann geht es gleich mit „Wissen“ weiter, einem bitteren Lied über eine Beziehung weiter, die offenbar die Lockdowns nicht überlebt hat. Zu kräftigen E-Gitarrenakkorden bekennt Sänger Farin Urlaub, dass er nicht wissen will, wie es der Partnerin geht und alle früheren Gefühle für sie vom Winde verweht sind.
Schlagzeuger Bela B, der bei acht Songs als Leadsänger zu hören ist und einmal im Duett mir Farin Urlaub, hat ebenfalls kaum positive Stimmungen beizusteuern. In „Schweigen“ singt er über einen Mann, der einfach nichts sagt, obwohl es schlecht um die Beziehung steht bis das Herz schließlich austrocknet und zerbricht.
Auf sein Konto geht zudem einer der inhaltlich heftigsten Songs, den die Die Ärzte in ihrer über 40-jährigen Karriere veröffentlicht haben. Einen Song wie „Einschlag“, der die Perspektive eines Frauenmörders einnimmt hatten sie bislang noch nicht im Programm. Natürlich geht es nicht darum, sich in den Frauenmörder einzufühlen, sondern darum, ihn bloßzustellen, auch in seiner egozentrischen Jämmerlichkeit, wenn der Protagonist in der zweiten Songhälfte nach Hoffnung für sich sucht.
Um toxische Männlichkeit geht es immer wieder auf dem Album, das eine ganze Reihe von Typen beschreibt, die nichts hinbekommen, sich aber trotzdem nie in Frage stellen. Da kann es dann auch mal etwas leichter und lustiger werden, wie etwa bei dem von Farin Urlaub gesungenen „Anastasia“. Es beschreibt das erste Online-Dating eines Volldeppen, der zu einem Treffen in einer Bar führt, aber nicht im Bett endet, sondern so: „Musstest du mir in die Eier treten?/ Ich wollte nur kurz deine Brüste kneten/ Und vor dem Altar deiner Jungfräulichkeit beten.“ Das ist Quatsch wie man ihn kennt von den Ärzten, die schon 1998 wussten: „Männer sind Schweine“.
Es gibt Country- oder Ska-Elemente, dort mal einen Kinderchor oder eine Chanson-Parodie und im Track „Kerngeschäft“ einen feinen Gastbeitrag der Rapperin Ebow, das allererste Rap-Feature der Bandgeschichte.
Insgesamt geprägt ist das Album jedoch von schnellen und lauten Gitarren. Die treiben auch das letzte Lied an, eine Ode an die Demokratie. Der Song war jedoch dem Bassisten Rodrigo Gonzlez textlich zu simpel gestrickt, weshalb er „Our Bass Player Hates This Song“ genannt wurde: das Ergebnis einer demokratischen Abstimmung der Band. Dort heißt es: „Immer nur zu meckern auf das blöde Scheiß-System, das ist schön bequem“. Und im Akustikgitarren-Finale schlägt Farin ganz sanft vor: „Wie wärs mit wählen gehn?/ Dein Kreuz gegen Hakenkreuze/ Damit fängt es an.“ Simpel, aber wahr.
Die „Dunkel“-Songs sind größtenteils bereits während der Sessions für „HELL“ entstanden. Beide Alben sollten gleichzeitig entstehen, eines analog und eines digital. In der Lockdown-Zeit hatten sie das Studio gewechselt (ihre Tour war ja abgesagt) und weitergearbeitet. Sie entschlossen sich zunächst „Hell“ herauszubringen und „DUNKEL“ zu einem späteren Zeitpunkt zu veröffentlichen. Eine Entscheidung die durchaus nachvollziehbar war. Sollte nach Erscheinen von „DUNKEL“ ja die abgesagte Tour starten. Kurz vor dem Erscheinungstermin des Albums sagten „Die Ärzte“ dann auch diese Tour ab. uk


Titel:

LP 1
Seite A
KFM
WISSEN
DUNKEL
ANTI
DOOF
SCHREI

Seite B
KRAFT
SCHWEIGEN
TRISTESSE
KERNGESCHÄFT

LP 2
Seite A
NOISE
EINSCHLAG
ANASTASIA
BESSER
NACHMITTAG

Seite B
MENSCHEN
ERHABEN
DANACH
OUR BASS PLAYER HATES THIS SONG